Fassungslos
Vor einigen Tagen bin ich von der Insel Hiddensee zurückgekehrt. Mit vielen Gedanken im Rucksack. Und noch immer bin ich beeindruckt vom sonntäglichen Gottesdienst im Inselort Kloster. Dicht an dicht saßen wir im Gemeinderaum des Küsterhauses, das Miteinander freundlich und zugewandt.
Und dann die vielen Künstler*innen: Astra Nielsen, Gerhard Hauptmann, Ringelnatz, Brecht, Mascha Kaléko und viele alle.
Alle müssen die bescheidene Insel, die Weite des Himmels, das Eintauchen in eine Sommer-Frische-Zeit ohne absehbares Ende sehr genossen haben…Und heute?
In dieser Zeit – in dieser unserer Zeit?
Fassungslos wachliegen. Die unmittelbare Nachbarschaft wählt blau.
Ängstliche Stille, bange machende Gedanken kleben am bürgerlichen Entsetzen. Jede Straße Berlins, nein alle Straßen der Welt bräuchte eine mahnende Margot Friedländer. Nichts ist mehr der Vergangenheit zuzuschieben…Das wäre leicht. Das wäre blanker Hohn.
Das Jetzt ist bereits unfassbar. Das Jetzt webt sich in die Köpfe, in die Herzen.
Es wird kalt, es wird eisekalt. Und das bei uns. Hier in Berlin. Im Land. In der Welt.
Aufrüsten, Folter, Tod, Rache, Angriff, Leid… Aufrüsten, Folter, Tod, Rache, Angriff, Leid…unendliches Leid – ein nie endender Kreis, der Teufel wird so schön verwöhnt im Spiel des Grauen.
Not verkleidet im charmanten Worte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ –
Lebennehmende Folter – „Plötzliches Todessyndrom“.
Als die Nationalsozialisten an die Macht in Deutschland kamen, schrieb Mascha Kaleko: „Wir haben keinen Freund auf dieser Welt. Nur Gott.“
Was meint Mascha Kaleko? Ich kann nur mutmaßen… Ist die damalige Zeit so zerstörerisch gewesen, dass alles Freundschaftliche nicht sein konnte? Mit all dem, was war…
Bei den Einen die allumgreifende Angst ums Überleben, bei den Anderen aufgeblähtes, gemeingefährliches Gebaren und Handeln und wieder bei den Anderen ein Nicht-Sehen-Wollen, Nicht-Bemerken-Wollen…
Was machen wir also? Was können wir? Wie ist unser Auftrag? Welche Menschen wollen wir sein? Gerade jetzt?
Hinsehen. Einstehen. Ängste vertreiben. Mit Singen. Mit Lachen. Und natürlich: Dicht an dich sitzen, denken und entscheiden. In Gemeinschaft. Und mit Gottes Hilfe.